17. Juli 2022
Wittenberger Predigten
5. Sonntag nach Trinitatis, Schlosskirche Wittenberg
zu 1. Mose 12,1-4a von Peter Meyer
3 x Socken normal. 3 x Wandersocken. 2 x Wanderhemd. Auf der Innenseite des Regals mit den Bürosachen hat mein Vater seine Packlisten geklebt. Eine „normale“. Eine für „Wanderurlaub“. Der Charakter zeigt sich im Aufbruch. Mein Vater zählt zum Typ „penible Vorbereitung“. Andere Typen setzen auf das Motto: „Hauptsache, das Quartier ist gut. Zahnbürsten gibt es überall.“ Wieder andere halten es für das Wichtigste, die eigene Wohnung vor dem Aufbruch pikobello zu hinterlassen. Weil ihnen die Vorstellung schlaflose Nächte bereitet: Ein Rohrbruch. Der Vermieter lässt die Tür öffnen. Und wird von Wollmäusen empfangen. Peinlich!
Als sie das erste Buch der Bibel schrieben. Als sie davon schrieben, wie Gott mit den Menschen, wie Gott mit uns aufbricht: Es scheint es, als hätten ihnen all diese Typen zugleich vor Augen gestanden.
Gott, der penibel vorbereitet. Die Welt in sechs Tagen einrichtet. Den orange funkelnden Stern an seine Stelle droben ins Firmament heftet. Und auch noch den letzten Flusskiesel in der Elbe mit Moos bestreicht.
Gott, risikofreudig. Formt Menschlein aus glitschig feuchtem Lehm. Und haucht ihnen Freiheit ein. Kaum ist das getan, sickert Abels Blut dunkel in einen Acker jenseits von Eden.
Und dann: Ein Neuanfang nach der Sintflut. Und die Besiedlung der ganzen Welt, als der Turmbau zu Babel im Chaos endet.
Elf Kapitel lang: Der große Aufbruch eines vielgesichtigen Gottes mit den Menschen. Mit uns. Jedes Kapitel weltberühmt.
Dann steht die Welt. Die Weltbühne ist eingerichtet. Und die Völker sind auf dem Weg.
Ein Romancier holt spätestens jetzt Luft. Hält inne. Kommt an. Gönnt sich ein Kapitel um mit kunstvollen Sätzen ein Wohnzimmer einzurichten. Mit Liebe fürs Detail, Deckchen auf dem Kaminsims inklusive.
Und tatsächlich. Als die, die das erste Buch der Bibel schreiben, elf Kapitel Menschheitsaufbruch im Kasten haben, werden sie persönlich. Eine Familiengeschichte beginnt. Viele Namen schreiben sie auf. Einer bleibt endlich haften: Terach, ein Stammvater. Mit Haus und Hof, in Haran. Im türkisch-syrischen Grenzgebiet.
Da lässt sich gut sein, denke ich mir, sommerlich gestimmt. Vor meinem inneren Auge schweift mein Blick schon von Terachs Terrasse über die Felder. Ich höre Hühner ums Haus gackern. Zeitlos räkeln sich Tage auf dem Land. Ich sehe das Familienbild im Wohnzimmer. Und Terach darunter, ganz Patriarch. Die Abendstille glättet seine Stirn. Abram, der Sohn des Hauses neben Sarai, seiner Frau. Die Sonne steht tief und schön.
Endlich das normale Menschen-Leben. Der Wechsel von Arbeit und Freizeit. Von Schulzeit und Ferien. Einkaufen und essen. Emails schreiben und Nachrichten sehen. Vom Feierabend am Bergwitzsee träumen oder vom Ausflug nach Wittenberg.
Aber im ersten Buch der Bibel, im ersten Buch Mose gönnen sie mir und Terach und Sarai und Abram, die einst Abraham und Sarah heißen werden, nichts davon:
1Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 4Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte.
Das Problem: Viele von uns kennen diese Geschichte gut. Zu gut. „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“ Dann klingt es, wie wenn du jeden Sommer in die gleiche Ferienwohnung aufbrichst. Du weißt, wie der Schlüssel im Wohnungsschloss hakelt. Und freust Dich am ersten Abend schon auf die guten Brötchen vom Kiosk um die Ecke.
Vergesst das für den Moment. Schlagt es Euch aus dem Kopf. Ja, brecht selbst auf. Dann hört Ihr den Skandal: Abram und Sarai sind nicht „dann mal weg“, schulterzuckend.
Ein Paar ohne Kinder. Er schon 75 Jahre alt. Die ziehen los! Das ist, als würdest Du alle Versicherungspolicen in den Schredder geben, Rentenanwartschaft inklusive.
„Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause.“ Wenn sie gehen, gehen sie ortlos. Hauslos. Heimatlos. Ohne Aussicht auf ein Wiedersehen, mit Müttern und Vätern, mit den Hühnern, der Landschaft.
Gottes Zielangabe: „ein Land, das ich dir zeigen will“. Nichts für den Navi, nichts für den Kompass, nichts für Visaanträge.
Jaja, da ist der Segen. Ich komme gleich noch dazu. Erst einmal ist es wichtig, sich das klar zu machen. Sich klar zu machen: Jeder Aufbruch, jeder Umbruch trägt etwas davon in sich.
Wenn ich an meine Aufbrüche denke. Selbst an die, um die ich mich gerissen habe. Erst recht die, zu denen man mich schubste. Das Gefühl: Ich sitze in Frankfurt am Main. In der Mitte des Grundstudiums. In einem leicht chaotischen Uni-Büro. Gegenüber sitzt ein Mann, auf dessen Wort ich viel gebe. Und der sagt: „Ja, jetzt wird hier in Frankfurt alles vertraut und dicht. Deshalb planen Sie jetzt mal, wo es nach der Zwischenprüfung hingeht. Bleiben Sie nicht hier.“
Ich glaube, ich bin nicht der einzige, der für den Hauch Endlichkeit darin empfänglich ist. Wenn Dir im Absprung bewusst wird, das gehen immer auch verlassen heißt.
Wie viele Tränen sieht die Abflughalle auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg heute? Selbst von denen, die gestern noch mit Kribbeln im Bauch Zeug in den Hartschalenkoffer stopften. Wie viele Tränen sind zu sehen? Und wie viele werden heimlich, so halb weggedreht verdrückt?
So ist der Aufbruch. Der Grund dafür, dass nach elf Aufbruchskapiteln auch noch Abram und Sarai auf den Weg müssen – und tausend weitere Figuren der Bibel nach ihnen, vom Zug in die Wüste bis zur Himmelfahrt. Seht her, das ist das Leben. Ein Schatten, der vorüber streicht.
Und das braucht Segen!
Denn Sommerferien und Urlaubstrips mit Hin- und Rückreise sind das eine. Und das etwas ganz anderes: Geh aus deinem Vaterland in ein Land, das ich dir zeigen will.
Je mehr ich auch in Wittenberg von einer Welt sehe und höre, die im Umbruch ist. Je mehr ich sehe oder weiß von den Geflüchteten, die bei uns wohnen. Die mit hektisch gepackten Taschen in den Zug stürzten. Je mehr ich erlebe und höre, von der Hitze. Die hier nur versengt. Aber in Indien die Ärmsten zuerst zum Aufbruch zwingt. Je mehr ich merke was ich eigentlich weiß: Die Welt ist in Bewegung. Desto mehr ruft mein Herz rufen: Halt. Ich will mich in Ruhe vorbereiten. So gut packen, dass sich alles regelt: 3 x Socken normal. 3 x Wandersocken. 2 x Wanderhemd.
Der große Segen dreht den Spieß dieser Angst um. Abram und Sarai. Ihr werdet bleiben, wenn ihr geht. Ihr werdet Heimat findet, wenn ihr euer Vaterland lasst. Ihr werden behütet, wenn ihr das Haus hinter Euch lasst. Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. So wie Jesus in der Lesung dem müden Simon, der verbissen die Nacht hindurch am Fischen war, zurief: „Fahre hinaus, wo es tief ist!“ Segen ist da, wo ich den verkrampften Griff löse.
Segen für eine Welt, in der gerade die nüchternen Stimmen sagen: Ein Weiter-So gibt es nicht. Weiter so Gas verbrauchen. Weiter so auf Wunder warten, die die Klimakrise lösen. Vielleicht auch: weiter so Kirche sein, immer etwas weniger, enger.
Ihr werdet bleiben, wenn ihr geht. Ihr werdet Heimat findet, wenn ihr Haus und Hof lasst.
Das heißt doch: Ellbogen rein. Solidarität raus. Das heißt: Über das hinausschauen, was ich habe. Denn alles, was wirklich Wert hat, kann ich nicht einpacken. Das heißt: Härten nicht verschweigen, nein. Aber darauf bestehen: Klage und Jammer ersetzt keine Lösung – ersetzt keinen Aufbruch.
Ich bin überzeugt: Jede und jeder hier kann eine ganze Liste schreiben. Von Dingen, Überzeugungen, Ängsten. Von denen ich aufbrechen kann. Sollte. Ja, so gut, dass Segen drauf liegt. Es muss bloß über den Punkt kommen, dass ich das wage.
Die Ruhe und das Reisen des Sommers ist kein großer Aufbruch. Aber eine gute Gelegenheit, um zu merken, was das wäre.
Ich habe deshalb einen Vorschlag: Schreibt in diesem Sommer diese Karte [am Eingang verteilt]. Ob von Balkonien aus oder vom Sommerstrand. Unterwegsgedanken: Wovon breche ich am besten auf. Gelassen und froh. Wo erwarte ich dann Segen? Welcher Segen liegt drauf? Und dann sendet diese Karte – wirklich oder vorstellungsmäßig – an Euch selbst. Um Euch im klappernden Alltag daran zu erinnern.
Eine Liste, die anders klingen wird als: 3 x Socken normal. 3 x Wandersocken. 2 x Wanderhemd. Es spricht nichts gegen Vorbereitung, egal was du für ein Typ bist. Das ist bloß ein großer Unterschied: Ob Du die Kontrolle behalten willst, indem Du packst. Oder ob Du für die unerkannte Tiefe bereit wirst.
Gott hat seinen Teil getan. Indem er uns Menschlein in die Welt stellte. Ja, und sogar sich selbst in unsere Hände gab.
Wittenberger Predigten
5. Sonntag nach Trinitatis, Schlosskirche Wittenberg
zu 1. Mose 12,1-4a von Peter Meyer
3 x Socken normal. 3 x Wandersocken. 2 x Wanderhemd. Auf der Innenseite des Regals mit den Bürosachen hat mein Vater seine Packlisten geklebt. Eine „normale“. Eine für „Wanderurlaub“. Der Charakter zeigt sich im Aufbruch. Mein Vater zählt zum Typ „penible Vorbereitung“. Andere Typen setzen auf das Motto: „Hauptsache, das Quartier ist gut. Zahnbürsten gibt es überall.“ Wieder andere halten es für das Wichtigste, die eigene Wohnung vor dem Aufbruch pikobello zu hinterlassen. Weil ihnen die Vorstellung schlaflose Nächte bereitet: Ein Rohrbruch. Der Vermieter lässt die Tür öffnen. Und wird von Wollmäusen empfangen. Peinlich!
Als sie das erste Buch der Bibel schrieben. Als sie davon schrieben, wie Gott mit den Menschen, wie Gott mit uns aufbricht: Es scheint es, als hätten ihnen all diese Typen zugleich vor Augen gestanden.
Gott, der penibel vorbereitet. Die Welt in sechs Tagen einrichtet. Den orange funkelnden Stern an seine Stelle droben ins Firmament heftet. Und auch noch den letzten Flusskiesel in der Elbe mit Moos bestreicht.
Gott, risikofreudig. Formt Menschlein aus glitschig feuchtem Lehm. Und haucht ihnen Freiheit ein. Kaum ist das getan, sickert Abels Blut dunkel in einen Acker jenseits von Eden.
Und dann: Ein Neuanfang nach der Sintflut. Und die Besiedlung der ganzen Welt, als der Turmbau zu Babel im Chaos endet.
Elf Kapitel lang: Der große Aufbruch eines vielgesichtigen Gottes mit den Menschen. Mit uns. Jedes Kapitel weltberühmt.
Dann steht die Welt. Die Weltbühne ist eingerichtet. Und die Völker sind auf dem Weg.
Ein Romancier holt spätestens jetzt Luft. Hält inne. Kommt an. Gönnt sich ein Kapitel um mit kunstvollen Sätzen ein Wohnzimmer einzurichten. Mit Liebe fürs Detail, Deckchen auf dem Kaminsims inklusive.
Und tatsächlich. Als die, die das erste Buch der Bibel schreiben, elf Kapitel Menschheitsaufbruch im Kasten haben, werden sie persönlich. Eine Familiengeschichte beginnt. Viele Namen schreiben sie auf. Einer bleibt endlich haften: Terach, ein Stammvater. Mit Haus und Hof, in Haran. Im türkisch-syrischen Grenzgebiet.
Da lässt sich gut sein, denke ich mir, sommerlich gestimmt. Vor meinem inneren Auge schweift mein Blick schon von Terachs Terrasse über die Felder. Ich höre Hühner ums Haus gackern. Zeitlos räkeln sich Tage auf dem Land. Ich sehe das Familienbild im Wohnzimmer. Und Terach darunter, ganz Patriarch. Die Abendstille glättet seine Stirn. Abram, der Sohn des Hauses neben Sarai, seiner Frau. Die Sonne steht tief und schön.
Endlich das normale Menschen-Leben. Der Wechsel von Arbeit und Freizeit. Von Schulzeit und Ferien. Einkaufen und essen. Emails schreiben und Nachrichten sehen. Vom Feierabend am Bergwitzsee träumen oder vom Ausflug nach Wittenberg.
Aber im ersten Buch der Bibel, im ersten Buch Mose gönnen sie mir und Terach und Sarai und Abram, die einst Abraham und Sarah heißen werden, nichts davon:
1Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 4Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte.
Das Problem: Viele von uns kennen diese Geschichte gut. Zu gut. „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“ Dann klingt es, wie wenn du jeden Sommer in die gleiche Ferienwohnung aufbrichst. Du weißt, wie der Schlüssel im Wohnungsschloss hakelt. Und freust Dich am ersten Abend schon auf die guten Brötchen vom Kiosk um die Ecke.
Vergesst das für den Moment. Schlagt es Euch aus dem Kopf. Ja, brecht selbst auf. Dann hört Ihr den Skandal: Abram und Sarai sind nicht „dann mal weg“, schulterzuckend.
Ein Paar ohne Kinder. Er schon 75 Jahre alt. Die ziehen los! Das ist, als würdest Du alle Versicherungspolicen in den Schredder geben, Rentenanwartschaft inklusive.
„Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause.“ Wenn sie gehen, gehen sie ortlos. Hauslos. Heimatlos. Ohne Aussicht auf ein Wiedersehen, mit Müttern und Vätern, mit den Hühnern, der Landschaft.
Gottes Zielangabe: „ein Land, das ich dir zeigen will“. Nichts für den Navi, nichts für den Kompass, nichts für Visaanträge.
Jaja, da ist der Segen. Ich komme gleich noch dazu. Erst einmal ist es wichtig, sich das klar zu machen. Sich klar zu machen: Jeder Aufbruch, jeder Umbruch trägt etwas davon in sich.
Wenn ich an meine Aufbrüche denke. Selbst an die, um die ich mich gerissen habe. Erst recht die, zu denen man mich schubste. Das Gefühl: Ich sitze in Frankfurt am Main. In der Mitte des Grundstudiums. In einem leicht chaotischen Uni-Büro. Gegenüber sitzt ein Mann, auf dessen Wort ich viel gebe. Und der sagt: „Ja, jetzt wird hier in Frankfurt alles vertraut und dicht. Deshalb planen Sie jetzt mal, wo es nach der Zwischenprüfung hingeht. Bleiben Sie nicht hier.“
Ich glaube, ich bin nicht der einzige, der für den Hauch Endlichkeit darin empfänglich ist. Wenn Dir im Absprung bewusst wird, das gehen immer auch verlassen heißt.
Wie viele Tränen sieht die Abflughalle auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg heute? Selbst von denen, die gestern noch mit Kribbeln im Bauch Zeug in den Hartschalenkoffer stopften. Wie viele Tränen sind zu sehen? Und wie viele werden heimlich, so halb weggedreht verdrückt?
So ist der Aufbruch. Der Grund dafür, dass nach elf Aufbruchskapiteln auch noch Abram und Sarai auf den Weg müssen – und tausend weitere Figuren der Bibel nach ihnen, vom Zug in die Wüste bis zur Himmelfahrt. Seht her, das ist das Leben. Ein Schatten, der vorüber streicht.
Und das braucht Segen!
Denn Sommerferien und Urlaubstrips mit Hin- und Rückreise sind das eine. Und das etwas ganz anderes: Geh aus deinem Vaterland in ein Land, das ich dir zeigen will.
Je mehr ich auch in Wittenberg von einer Welt sehe und höre, die im Umbruch ist. Je mehr ich sehe oder weiß von den Geflüchteten, die bei uns wohnen. Die mit hektisch gepackten Taschen in den Zug stürzten. Je mehr ich erlebe und höre, von der Hitze. Die hier nur versengt. Aber in Indien die Ärmsten zuerst zum Aufbruch zwingt. Je mehr ich merke was ich eigentlich weiß: Die Welt ist in Bewegung. Desto mehr ruft mein Herz rufen: Halt. Ich will mich in Ruhe vorbereiten. So gut packen, dass sich alles regelt: 3 x Socken normal. 3 x Wandersocken. 2 x Wanderhemd.
Der große Segen dreht den Spieß dieser Angst um. Abram und Sarai. Ihr werdet bleiben, wenn ihr geht. Ihr werdet Heimat findet, wenn ihr euer Vaterland lasst. Ihr werden behütet, wenn ihr das Haus hinter Euch lasst. Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. So wie Jesus in der Lesung dem müden Simon, der verbissen die Nacht hindurch am Fischen war, zurief: „Fahre hinaus, wo es tief ist!“ Segen ist da, wo ich den verkrampften Griff löse.
Segen für eine Welt, in der gerade die nüchternen Stimmen sagen: Ein Weiter-So gibt es nicht. Weiter so Gas verbrauchen. Weiter so auf Wunder warten, die die Klimakrise lösen. Vielleicht auch: weiter so Kirche sein, immer etwas weniger, enger.
Ihr werdet bleiben, wenn ihr geht. Ihr werdet Heimat findet, wenn ihr Haus und Hof lasst.
Das heißt doch: Ellbogen rein. Solidarität raus. Das heißt: Über das hinausschauen, was ich habe. Denn alles, was wirklich Wert hat, kann ich nicht einpacken. Das heißt: Härten nicht verschweigen, nein. Aber darauf bestehen: Klage und Jammer ersetzt keine Lösung – ersetzt keinen Aufbruch.
Ich bin überzeugt: Jede und jeder hier kann eine ganze Liste schreiben. Von Dingen, Überzeugungen, Ängsten. Von denen ich aufbrechen kann. Sollte. Ja, so gut, dass Segen drauf liegt. Es muss bloß über den Punkt kommen, dass ich das wage.
Die Ruhe und das Reisen des Sommers ist kein großer Aufbruch. Aber eine gute Gelegenheit, um zu merken, was das wäre.
Ich habe deshalb einen Vorschlag: Schreibt in diesem Sommer diese Karte [am Eingang verteilt]. Ob von Balkonien aus oder vom Sommerstrand. Unterwegsgedanken: Wovon breche ich am besten auf. Gelassen und froh. Wo erwarte ich dann Segen? Welcher Segen liegt drauf? Und dann sendet diese Karte – wirklich oder vorstellungsmäßig – an Euch selbst. Um Euch im klappernden Alltag daran zu erinnern.
Eine Liste, die anders klingen wird als: 3 x Socken normal. 3 x Wandersocken. 2 x Wanderhemd. Es spricht nichts gegen Vorbereitung, egal was du für ein Typ bist. Das ist bloß ein großer Unterschied: Ob Du die Kontrolle behalten willst, indem Du packst. Oder ob Du für die unerkannte Tiefe bereit wirst.
Gott hat seinen Teil getan. Indem er uns Menschlein in die Welt stellte. Ja, und sogar sich selbst in unsere Hände gab.